Urzeitkrebse und Fantasie
Ein halbes Jahrhundert Urzeitkrebse
Es gibt Dinge, die altern einfach nicht. James Bond zum Beispiel. Oder die Panini-Sammelbilder. Und dann gibt es Dinge, die altern, aber dabei so charmant sind, dass man es ihnen nicht übelnehmen kann: Wie Yps. Das Jugend-Magazin mit dem Känguru im Logo. Dieses Kultwerk der gedruckten Jugendkultur feiert in dieser Woche 50. Geburtstag und begeht dieses Jubiläum mit einer Sonderausgabe. Fürs Schorschla war allein die Pressemitteilung wie eine Zeitreise. Wie sehnte sich eine ganze Generation in den 70ern nach dem neuen Yps – oder besser gesagt dem in Klarsichtfolie eingeschweißten Gimmick. Schließlich war Yps kein normales Heft, es war die X-Box der heutigen Oldies.
Die Yps-Gimmicks waren die eigentlichen Stars. Wer erinnert sich nicht an die legendären Urzeit-Krebse? Kleine Triops, die in einer Pfütze Wasser angeblich zu Dinosauriern heranwuchsen – in Wirklichkeit aber bestenfalls so aussahen, als hätte jemand eine Garnele mit einem Reißnagel gekreuzt. Oder an die Solar-Zeppelin-Folie, die im Sommerhimmel wie ein UFO davontrieb, bis sie unweigerlich in der Oberleitung endete. Das waren Abenteuer, die rochen nach Bastelkleber, Elternskepsis und dem süßen Gefühl, etwas Einmaliges in Händen zu halten. Von Mülltrennung oder Tierschutz war damals natürlich noch keine Rede!
Heute heißen Gimmicks „In-Game-Purchase“ und kosten 4,99 Euro. Die Jugend sammelt keine Agentenausweise aus dünner Pappe mehr, sondern „Skills“ für virtuelle Waffen. Statt Geheimtinte gibt’s den „Battle Pass“. Die Freizeit der „Ypsianer“ dagegen bestand darin, stundenlang Urzeit-Krebs-Wasser anzustarren, in der Hoffnung auf Bewegung. Oder wir liefen mit einem Plastik-Percussion-Gewehr durch den Garten, das nach zwei Schüssen auseinanderfiel. Die Hälfte der Gimmicks landete ohnehin unauffindbar in der Sofaritze. Und trotzdem waren wir überzeugt, dass wir die coolsten Spielzeuge der Welt hatten.
Die Jugendlichen von heute haben andere Rituale. Sie treffen sich nicht am Kiosk, sondern im Discord-Channel. Sie bauen keine Solar-Zeppeline, sondern Pixelwelten in Minecraft.
Und doch: Wenn es Schorschla heute einen dieser knisternden Plastikumschläge in Händen hält, dann sieht es mehr als nur Spielzeug. Es blickt zurück in Jahre, in denen Freizeit bedeutete, mit den einfachsten Mitteln ins Fantastische abzutauchen. Kein WLAN, kein Highscore, nur wir, ein Känguru und die vage Ahnung, dass aus einer braunen Tüte voller Triops das Leben selbst schlüpfen könnte.
Vielleicht ist das das wahre Gimmick von Yps: die Erinnerung daran, dass die größte Spielkonsole immer noch unsere Fantasie ist. Auch wenn sie nicht funktioniert, in sich zusammenfällt, völlig nutzlos ist und am Ende eh im Mülleimer landet – Spaß gemacht hat es allemal. Und das ist doch das Wichtigste im Leben. Auch 50 Jahre nach der Yps-Erstausgabe!